Jehle (Liechtenstein)
Geschrieben von Administrator   
Donnerstag, 04. Oktober 2007
Geschichte von Jehle (Liechtenstein)

Liechtenstein

Die meisten die von diesem Land hören, denken vielleicht an Briefkastenfirmen oder den Fürsten. Doch es gab außer netten Leuten, schöner Gebirgslandschaft und phantasievollen Friedhöfen (in Vaduz) auch einen kleinen, aber feinen Automobilhersteller, wie das Land eben.

Die Firma „AR-Studio Xaver Jehle“ in Schaan, mit etwa 5.600 Einwohnern die größte Stadt Liechtensteins, beschäftigte sich mit Industrie-Design und stellte unter anderem Leitlichtsysteme für Flugpisten, Spezialtanks und Lkw-Aufbauten her.

Jehle-Logo 1979 stieg Jehle, ein typischer liechtensteinischer Familienname, mit einem „Doppelschlag“ und zwei Bausatzautos in den Autobau ein. Zum einen entstand der Mathies-Buggy, die Firma hieß zeitweise „AR-Studio Jehle-Mathies“, der offenbar nur ein Jahr lang hergestellt wurde, eine recht gelungene Form besaß und, selbstverständlich, auf einem um 300 mm verkürzten deutschen VW-Käfer-Fahrgestell basierte. Der Rahmen der Windschutzscheibe diente als zweiter Überrollbügel und wegen des relativ niedrigen Hecks musste der OHV-4 Zylinder-Unterflurboxermotor des VW 1600 verwendet werden, was bei einem Hubraum von 1,6 Liter und einer Leistung von 56 PS ein klarer Vorteil gegenüber den sonst üblichen Käfermotoren war.

Dem zur gleichen Zeit erschienen Jehle Safari war ein deutlich längeres Leben beschieden, nämlich bis 1982. Er war ein Spaß- und Freizeitauto im Geiste des französischen Citroen Mehari, jedoch mit deutlich eleganterer, zierlicher wirkender Form. Er besaß eine Kunststoffkarosserie mit Heckklappe und Planenverdeck und wurde zuerst nur als Bausatz geliefert, der auf möglichst einfache Selbstmontage ausgelegt war. Technische Basis war natürlich der Citroen 2 CV mit 600 ccm-OHV-2 Zylinder-Boxermotor und 26 PS, es konnten aber auch Citroen Ami 6, Ami 8 und Dyane-Komponenten verwendet werden.  1982 war der Safari auch als Komplettfahrzeug zu haben und wurde mit Schalensitzen, Bodenteppichen und Lackierung nach Wahl geliefert.

Etwa zu dieser Zeit landete offenbar, von allen, außer Xaver Jehle, unbemerkt, ein Raumschiff in dem kleinen Rhein-Land. Denn 1983 katapultierte sich der Hersteller von der Flower-Power- und Sonne-und-Strand-Ära übergangslos ins Star-Wars-Zeitalter, indem er der sprachlosen Erdbevölkerung den Jehle Saphier präsentierte. Der Begriff Keilform ist wohl selten in einem käuflichen Auto so extrem realisiert worden. In der flachen Front der glasfaserverstärkten Kunststoffkarosserie sind selbstverständlich rechteckige Klappscheinwerfer untergebracht, hinter denen die Radkästen wie über das Deck eines Schaufelraddampfers herausragen, während die extrem flache Frontscheibe von nur einem Wischer freigehalten wird und die Aufwärtslinie der Karosserie ziemlich weit oben am Heck endet, welches in steilem Winkel nach unten abfällt. Die in der oberen Hälfte nach innen angewinkelten Karosserieseiten lassen die Radkästen auch seitlich hervortreten und sind durch große, eckige Ausbuchtungen für die Rückspiegel unterbrochen und ganz hinten hoch in den Seiten versorgen große Belüftungsöffnungen das Innere mit frischer alpiner Luft. Die Seitenansicht wird wortwörtlich von einer Linie an der Seite unterstrichen, die vom unteren Teil des vorderen Radlaufs bis zum Heck im Titanic-Neigungswinkel verläuft. Beim Ein- und Aussteigen kann man die, sich unvermeidlich bildende, Zuschauermenge dann womöglich zum Applaus auf offener Szene bewegen, denn man öffnet mit Servohilfe den gesamten Karosserie-Mittelteil mit Dach und Lenkrad nach vorne, um fremde Planeten zu betreten. Unter der extraterrestrischen Hülle konnte man zwischen volkstümlicher Erdverbundenheit und dem entschlossenen Schritt zur ganzheitlichen Automobilproduktion wählen: Die sehr bodenständige Ausführung wurde nämlich auf das prähistorische, gebrauchte Fahrgestell des VW Käfers bis Baujahr 1969 ! aufgebaut und kostete ab 15.200 schwiezerr Fränkchli, während der Saphier Highspeed für schlappe 32.100 Franken eine selbstentwickelte Leichtmetallbodengruppe in Form eines Rohrrahmen-Monocoque oder Leichtmetall-Doppelträgers (hier sind die Quellen widersprüchlich und die Wahrheit zur Zeit nicht zu klären), ein verstärktes Fahrwerk und einen quer(?) eingebauten Mittelmotor aus dem VW Golf erhielt. Dieser besaß in der schwächsten Ausführung 75 PS, es gab jedoch auch turbogeladene, getunte Versionen mit 150 PS oder angeblich sogar 200 PS, teils mit Ladeluftkühlung mit elektronischer Wassereinspritzung. Er verfügte über 2 Überrollbügel und Flankenschutz.Mit Ausnahme des Motors war Jehle nun wirklich vom Karosseriebauer und Tuner zum Autohersteller avanciert.

Die Ufos wurden damals,1984, in Kleinserie gebaut.

Während der Saphier damals optisch doppelt so schnell war wie physisch, ging Jehle ab jenem Jahr zusätzlich gewissermaßen den entgegengesetzten Weg, nämlich optisch vergleichsweise eher dezentes Extremtuning von italienischen De Tomaso Pantera.

Der Jehle Pantera genannte Wagen war mit feinstem, englischen Leder oder Büffelleder ausgestattet, besaß ein verstärktes Fahrwerk und verstärkte Bremsen, fünf optisch angemessen geformte zusätzliche Lufteinlässe und vor allem erhielten die auf Bestellung gefertigten Fahrzeuge getunte amerikanische Ford-OHV-V8 in 3 Leistungsstufen mit 350, 450 und 650 PS, womit die stärkste Ausführung sogar den italienischen Lamborghini Countach noch deutlich übertraf.

1985 tunte man auch Lamborghini, der auf dem De Tomaso Longchamp basierende Jehle Longchamp erschien und erhielt die gleichen Maschinen wie der Pantera, jedoch jeweils etwa 50 PS schwächer, zudem auch noch ein Sechsganggetriebe. Die Ford-V8-Blöcke wurden von Fausch mit Jehle-5- und 6-Ventil-!-Leichtmetall-Zylinderköpfen ausgerüstet und verfügten über Katalysatoren und in den Versionen mit mehr als 600 PS über Doppelturbolader ! und Hubräume von 5,6 und 7,5 Liter. Sie waren mit Klimaanlagen und teilweise mit Flügeltüren ausgestattet. Jehle arbeitete im Nahen Osten als De Tomaso-Importeur, wobei er vorwiegend seine eigenen Ausführungen an den Mann bringen konnte.

1988 war nun auch der Super-Saphier mit dem 5,6 Liter-V8 zu bekommen und man setzte mit einer Rennversion des Pantera mit 8 Liter Hubraum und angeblichen 1.000 PS noch eins drauf.

1989 war angeblich ein selbstentwickelter 6,5 Liter-V 12 mit 500 bis 1.000 PS im Super-Saphier verfügbar.

1991 war dieser Motor auch für den neuen Artemis vorgesehen, der jedoch auch 1992 offenbar nur als Modell existierte.

Über Produktionszahlen und den Entwicklungsstand des Artemis ist nichts genaues bekannt und ob die PS-Zahlen, die Rennversion und der eigene V 12 Realität oder Science-Fiction waren steht in den Sternen.

Nach 1992 hörte man nichts mehr von Jehles Raumflotte, die letzte Adresse als Autohersteller lautete:

Xaver Jehle, Car + Motor Engineering
Industriestr. 32
CH 9494 Schaan
Liechtenstein

Aktuelle Adresse:

Jehle Xaver Engineering
Im alten Riet 32
9494 Schaan
Telefon: +41 79 350 16 92 / Fax: +41 79 540 30 82

Quellen:

Auto Katalog 1979, 1982 bis 1992, Motor Presse Stuttgart
www.geocities.com/conceptcarcentralother/saphier.html,
www. milf.pl /~maik/cars/models.php?autoid=16
www.carpassion.com/de/forum/andere-automarken/
18870-tuner-and-hersteller-war-frueher-2.html